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Glaskunst
Handwerkliche Tradition und künstlerische Inspiration in enger Symbiose


Bildhauerei in Glas hat außer der Übernahme vieler Techniken nur noch wenig gemein mit der Erzeugung von Gebrauchsgütern oder kunstgewerblichen Gegenständen aus Glas, wie sie zum Beispiel in Murano/Italien ausgeübt werden. Wir besichtigten anlässlich eines 20 Jahre zurückliegenden Venedigbesuches einige Glasbläsereien in dem nahe der Lagunenstadt gelegenen Ort und waren vom zauberisch anmutenden Geschick der Meister begeistert. In vielen Gegenden der Welt, auch in Deutschland hat die Glasbläserei eine lange handwerkliche Tradition. Im Gegensatz zu den Erzeugnissen der Manufakturen und kleinen Handwerksbetrieben sind die von Glasbildhauern geschaffenen Werke meist keine Gebrauchsgegenstände, sondern zweckfreie Kunstwerke. Die meisten Stücke sind Unikate.

Meinen ersten intensiven Kontakt mit der Glasbildhauerei hatte ich 1997 anlässlich eines Besuchs der mittelalterlichen Stadt Ebeltoft in Dänemark. Hier konnte ich Eindrücke der verschiedenen künstlerischen Möglichkeiten in dem spröden und lichten Material sammeln.
In Ebeltoft ist in der ehemaligen Zollverwaltung - einem zweigeschossigen Bau aus dem 19. Jahrhundert - das 1986 gegründete Glasmuseum beheimatet. In dem dicht am Hafen und am Ufer der sich an einer weit öffnenden Bucht gelegenen Gebäude wird eine mehr als 1.500 Exponate umfassende Sammlung von Glaskunstwerken präsentiert. Der Initiator dieser bemerkenswerten privaten Institution ist der im Ort lebende und wirkende dänische Glaskünstler Finn Lynggaard und seine Frau, die ebenfalls in Glas arbeitende Tchai Munch.

Die Künstler, deren Werke ausgestellt werden, kommen aus aller Herren Länder, neben den skandinavischen Ländern sind die USA mit einem großen Kontingent vertreten. Das einmalige Konzept des Museums sieht vor, die jeweils neuesten Trends in der Glasbildhauerei zu repräsentieren und stellt es den Künstlern frei, ihre Ausstellungsstücke gegen aktuelle Werke auszutauschen. Eine Wiederholung des Museumsbesuches bietet somit immer die Möglichkeit Nichtgesehenes zu entdecken. Wir ließen es uns daher nicht nehmen auch im Jahr 1998 Ebeltoft und sein Museum zu besuchen. Eine angenehme Überraschung war es, dass bei unserem zweiten Ausflug in die schon ein wenig vertrauter wirkende Welt der lichten Objekte neben vielen neuen Exponaten eine gesonderte Ausstellung des Glasmuseums gezeigt wurde. Mitten in der historischen Innenstadt von Ebeltoft im großflächigen ersten Stock eines ehemaligen Lagerhauses aus dem 16. Jahrhundert präsentierte das Museum den schwedischen Glaskünstler und Designer "Kjell Engman". Der Künstler versetzte den Betrachter mit seiner faszinierenden Gesamtinstallation aus diversen Glasobjekten kombiniert mit Licht- und Geräuscheffekten in eine Meerestraumwelt.

Der Besuch lag schon einige Jahre zurück und ich hatte mich mangels Gelegenheit und begründet in einer gewissen Trägheit nicht mehr mit Kunstwerken aus Glas befasst. Um so erfreuter war ich, während meines Bootsurlaubs im Jahre 2002 an der Schwedischen Westküste auf die Ausstellung des Glasbildhauers und Designers Bertil Vallien zu stoßen.
Einige seiner Werke waren im Reichssaal der Festung Varberg ausgestellt. Einen zu kurzen Vormittag verbrachte ich damit, die Kunstwerke unter den verschiedensten Lichtverhältnissen und allen möglichen Blickwinkeln zu betrachten und auch zu fotografieren. Leider führte mich mein Kurs auf der Rückreise nicht noch einmal nach Varberg, ein geplanter zweiter Besuch unterblieb, Wind und Wetter erlaubten es nicht.



Bertil Vallien
Meister des Glasgusses

Bertil Vallien wurde 1938 in Stockholm als zweites von sieben Kindern geboren. Sein Vater war nicht nur ein bekannter Maler, sondern auch Pfarrer der unabhängigen Kirche. An der Schule fand Bertil keinen Geschmack und verlies sie früh, um als Dekorateur in einem der größten Kaufhäuser der schwedischen Hauptstadt dem "PUB" zu arbeiten. Er wechselte jedoch bald und begann ein Kunststudium an der "Konstfack", der Stockholmer Hochschule für Kunst, Gewerbe und Design. Dort schloss er seine Ausbildung 1961 als Jahrgangsbester ab und wurde mit einem Stipendium der königlichen Stiftung ausgezeichnet. Die Mittel des Stipendiums gaben ihm die Freiheit zwischen 1961 und 1963 durch die USA und Mexiko zu reisen und erste Erfolge als Töpfer in Kalifornien zu erzielen. Zusammen mit seiner Frau Ulrica Hydman-Vallien, Mitstudentin an der "Konstfack" kehrte er nach Schweden zurück.
Auf Anregung des legendären Direktors des "Glashauses" Erik Rosén ließen sie sich in der Smaaland-Region in Kosta Boda nieder, wo sie bis heute beheimatet sind. In diesen Landesteil Schwedens hat die Glasmacherei eine lange Tradition. Vallien begann in Glas und Metall zu arbeiten und machte auch bald die ersten Experimente im Glasguss.

Inzwischen ist Bertil Vallien als Meister des Glasgusses bekannt, seine meterlangen Schiffsformen sind begehrte Sammlerobjekte und seine Werke sind in den führenden Museen der USA, Europas und Japans vertreten. Er selber sagt über seine Arbeit mit dem diffizilen Ausgangsstoff Glas: "Früh fand ich heraus, das Glas trotz der Schwierigkeit, die es als Material bietet, durch seine enge Verbindung der extremen Gegensätze - Hitze und Kälte, Licht und Dunkelheit - eine Unmenge von Möglichkeiten gewährt."

Der Künstler entwickelte die Idee von gegossenen Schiffsformen und der ihnen innewohnenden Symbolik Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Das Schiff erscheint ihm als ein perfektes Transportmittel für das Gefühl der Einsamkeit. Es ist eine Erinnerung an Weiblichkeit, Abenteuer, Katastrophe, ein schwacher, dünner Schutz gegen die Unbill der See, der die absolute Achtung aller an Bord verlangt. Das Schiff beherbergt eine in sich geschlossene Gesellschaft, isoliert, von den Fluten umspült.

Leider mangelt es mir an der künstlerischen Fertigkeit und Ausdruckskraft eines Bertil Vallien, jedoch kann ich auf Grund meiner häufigen Bootsreisen -allein oder mit anderen- diese Interpretation des Schiffs als auch für meine Sicht als zutreffend erfühlen. Weiterhin erscheint mir der Künstler artverwandt, wenn er ausführt: "Ich habe stets Glück im Leben gehabt" eine Aussage, die ich für meine bisherige Lebenszeit ähnlich getroffen habe.

Vallien verbringt einen Gutteil seiner Zeit damit, zu sinnieren und Entwürfe zu skizzieren. Seine Fähigkeit zur Selbstkritik ist stark ausgeprägt und so verwirft er vieles von ihm Geschaffene, weil es nicht seinen Ansprüchen genügt. Seine Tätigkeiten sowohl als Designer wie auch als Glaskünstler ergänzen sich vorzüglich. Der wissenschaftlichen Forschung kommt seine Kunst gleich, einer Entdeckungsreise durch ein Meer von Glas. Im Studio und in der Glasbläserei steht er in ständigen Dialog mit einer geschickten Schar von Handwerkern, die ihn auf dieser schon mehr als dreißig Jahre andauernden Reise treu zur Seite stehen. Als Designer schuf er so bekannte ??? Möge ihre Reise noch lange dauern und die Musen den Kapitän mit seiner Mannschaft zu vielen neuen Gestaden führen. Mögen ihnen die Götter, insbesondere Neptun und Fortuna auch weiterhin günstig gesonnen sein.


Ich erlebte Teile des Gesamtwerkes von Bertil Vallien in der oben angesprochenen Ausstellung in einem angemessenen Rahmen. Der Reichssaal der Festung Varberg mit seinen hohen Gewölbedecken und den sparsamen Lichteffekten durch die wenigen kleinen, meist tiefliegenden Fenstern und geschickt angeordneten künstlichen Lichtquellen lässt die Möglichkeit bestehen, die Stücke als Einzelwerke zu betrachten und trotzdem in einem Augenaufschlag wieder einen Gesamteindruck der ausgestellten Kunstwerke zu erhaschen.

Den Kunstwerken Bertil Valliens ist die ständig neue, immer wieder verblüffende Wirkung durch einen davor nicht bemerkten Lichteinfall zu eigen, hier kann der Künstler durch das Material Glas Facetten setzen, die ihm beim Arbeiten mit den für das Auge undurchdringlichen Materialien versperrt bleiben.








Karolina

An einen Albtraum gemahnen die auf Stahlstützen gelagerten, in zwei Reihen angeordneten Köpfe, die wie eine Allee auf das tagträumende, in Glas eingeschlossene Gesicht der Karolina hinführen. Nur einer, "Der Blaue Mann" senkt sein Haupt und schaut auf die schlafende Karolina hinab Inspiriert wurde das Werk und die Installation durch das Schicksal der Karolina Olsson, die viele Jahre in einem Wachkoma verbrachte und deren einzige Erinnerung an diese Zeit nach dem plötzlichen unerwarteten Erwachen Gesichter - in erster Linie "Der Blaue Mann" - waren. Dieser Traumzeit hat Vallien augenscheinlich erfolgreich, aber auch das Gemüt bedrückend und in manchen Details erschreckend, Gestalt verliehen.


Nachdem wir einen ganzen Vormittag in der Ausstellung verbracht haben, lautet meine Empfehlung, sollten Sie die Gelegenheit haben, eine Ausstellung von Bertil Vallien zu besuchen, so nutzen Sie das Angebot, denn es erwartet Sie ein wahrer Augenschmaus.kh


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